Die Praxis der Paartherapie wirft spezifische ethische und deontologische Fragen auf, die jeder Praktiker kennen und respektieren muss. Über die allgemeinen Prinzipien der Fürsorge, der Nichtschädigung, der Autonomie und der Gerechtigkeit hinaus, die jede Hilfebeziehung leiten, erfordert die Arbeit mit Paaren besondere Wachsamkeit in mehreren Punkten.

Eine erste Frage betrifft die Vertraulichkeit und ihre Grenzen im ehelichen Rahmen. Während in der Einzeltherapie der Therapeut zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtet ist, wird er in der Paartherapie oft aufgefordert, mit beiden Partnern das zu teilen, was in der Sitzung gesagt wird. Dies kann Dilemmata verursachen, wenn ein Partner in einer separaten Diskussion Elemente enthüllt, die er dem anderen nicht offenbaren will (Untreue, Krankheit usw.). Der Therapeut muss dann seinen Rahmen und die Grenzen der Vertraulichkeit klären, schon zu Beginn der Behandlung. Er kann zum Beispiel erklären, dass er immer Transparenz und Dialog in der Beziehung ermutigen wird, aber auch den individuellen Rhythmus und Widerstände respektieren wird. Im Falle sensibler Informationen wird er den betroffenen Partner ermutigen, selbst darüber zu sprechen, oder einzelne Sitzungen vorschlagen. Es ist wichtig, keine “Geheimnisse” zu bewahren, die der therapeutischen Allianz und der Grundarbeit schaden könnten.

Eine andere ethische Herausforderung besteht darin, eine wohlwollende Neutralität gegenüber beiden Partnern zu wahren. Der Therapeut muss darauf achten, sich nicht für den einen oder anderen zu entscheiden, auch wenn ihr Grad an Verantwortung oder Leiden ungleich erscheinen mag. Es geht darum, die Erfahrungen jedes Einzelnen mit Empathie, ohne Urteil oder Druck, aufzunehmen. Ein Fehler wäre es, die Partner um jeden Preis zusammenhalt zu lassen oder sie im Gegenteil zur Trennung zu zwingen. Der Therapeut muss ihren freien Willen respektieren und sich auf ihre Ressourcen konzentrieren, um ihre Beziehung zu verbessern oder sich bestmöglich zu trennen. Seine Rolle besteht darin, den Prozess mit Fürsorge zu begleiten, nicht eine Lösung aufzuzwingen.

Die Frage der Grenzen in der therapeutischen Beziehung stellt sich auch in der Paartherapie sehr scharf. Der Praktiker muss darauf achten, sich nicht in eine emotionale Nähe hineinziehen zu lassen oder eine übermäßige Komplizenschaft mit einem Partner einzugehen, insbesondere wenn der andere als “böses Objekt” erlebt wird. Er muss seine Gegenübertragungsbewegungen (Anziehung, Ärgernis, Rivalität usw.) erkennen, um den richtigen Abstand zu wahren. Die Gefahr bestünde darin, sich auf eine Zweierbeziehung einzulassen, die den Partner ausschließt, oder gar eine Grenzüberschreitung (Verführung, Entwertung usw.) zu riskieren. Um sich vor solchen Fehltritten zu schützen, muss sich der Therapeut auf ein klares deontologisches Rahmenwerk und eine kontinuierliche Selbstarbeit stützen. Die Supervision ist ein privilegierter Raum, um diese komplexen Beziehungsfragen zu analysieren.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Wachsamkeit hinsichtlich der Interessenkonflikte, die entstehen können, wenn der Therapeut einen der Partner in einem anderen Kontext kennt (Familie, Arbeit, Freunde usw.). In einem solchen Fall ist es vorzuziehen, das Paar an einen Kollegen zu verweisen, um Verwirrung über die Rollen und Loyalitäten zu vermeiden. Gleiches gilt, wenn der Therapeut aufgefordert wird, die Kinder des Paares oder andere Familienmitglieder zu behandeln. Hier muss er seine Position klären, um nicht in Loyalitätskonflikte verwickelt zu werden. Transparenz über seine verschiedenen “Rollen” ist von wesentlicher Bedeutung.

Schließlich erfordert die Ethik der Paartherapie ein Engagement in der Fortbildung und professionellen Entwicklung. Angesichts der Komplexität der Partnerfragen muss der Praktiker ständig sein theoretisches Wissen erneuern und seine klinischen Fähigkeiten verbessern. Dazu gehören das Lesen von Büchern und wissenschaftlichen Artikeln, die Teilnahme an Seminaren und Konferenzen, aber auch die Arbeit an sich selbst, um seine persönlichen Resonanzen zu klären. Wie Elkaïm sagte, “ist das wichtigste Werkzeug des Therapeuten der Therapeut selbst”. Daher ist der Reflexionsprozess und eine “Beziehungs-Hygiene” wichtig, um mit seinem eigenen Verhältnis zum Paar und zur Intimität klarzukommen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ethik und Deontologie im Zentrum der professionellen Identität des Paartherapeuten liegen. Sie erfordern eine ständige Wachsamkeit, um einen sicheren und respektvollen Rahmen zu schaffen, der für die Entwicklung der leidenden Paare förderlich ist. Eine Ausrichtung an humanistischen Werten wie Fürsorge und Verantwortung ist der beste Ratgeber, um durch die Irrwege des Paarabenteuers zu navigieren.

Zu beachten:

– Die Paartherapie wirft spezifische ethische und deontologische Fragen auf, über die allgemeinen Prinzipien der Fürsorge, Nichtschädigung, Autonomie und Gerechtigkeit hinaus.

– Die Vertraulichkeit und ihre Grenzen müssen von Anfang an geklärt werden. Der Therapeut muss “Geheimnisse” geschickt handhaben, um die therapeutische Allianz nicht zu beeinträchtigen.

– Der Therapeut muss eine wohlwollende Neutralität bewahren, darf nicht Partei ergreifen oder eine Lösung aufzwingen. Er muss den freien Willen des Paares respektieren.

– Der Therapeut muss seine eigenen Gegenübertragungsbewegungen im Auge behalten und eine angemessene Beziehungsdistanz wahren. Supervision ist wichtig.

– Interessenkonflikte müssen vermieden werden. Wenn der Therapeut bei verschiedenen Familienmitgliedern interveniert, muss er transparent sein.

– Der Therapeut muss sich kontinuierliche Fortbildung und Selbstreflexion verpflichten, um seine Fähigkeiten zu aktualisieren und seine persönlichen Resonanzen zu klären.

– Ethik und Deontologie sind im Zentrum der professionellen Identität, um einen sicheren und respektvollen Rahmen zu schaffen, der förderlich für die Entwicklung der Paare ist.

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